Alex Diehl: Plötzliche Schmerzen führten zu “absoluter Verzweiflung”

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Alex Diehl musste in den letzten Jahren gesundheitlich einiges verkraften. / Quelle: Julian Buttschardt

Alex Diehl (32) hat seit seinem Album “Bretter meiner Welt” (2016) einiges durchgemacht. Krankheitsbedingt musste er sich einige Zeit von der Bühne zurückziehen. Nun geht es dem Sänger besser, er kann wieder auftreten und veröffentlicht außerdem das neue Album “Laut”, das am Freitag (4. September) erscheint. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news spricht er über die vergangenen Jahre, seine neu entfachte Liebe zum Sport und das Thema Familienplanung.

Vier Jahre sind seit Ihrem letzten Album vergangen. In dieser Zeit mussten Sie krankheitsbedingt eine Pause einlegen. Was war passiert und wie haben Sie diese harte Zeit überstanden?

Alex Diehl: Ich habe gesundheitlich einen ordentlichen Schuss vor den Bug bekommen. Über 100 Arztbesuche, dutzende Therapieversuche und absolute Verzweiflung waren meine ständigen Begleiter in den letzten Jahren. Auslöser waren plötzliche Schmerzen beim Sprechen und Singen. Für jemanden, der seine Brötchen mit Musik und Gesang nach Hause bringt, eine denkbar schlechte Situation. Ich bin von Hamburg über München nach Freiburg und Salzburg und habe mich von den besten HNO-Ärzten und Phoniatrie-Professoren untersuchen lassen. Alles ohne Diagnose. Viele Verdachtsfälle und weitere Untersuchungen und Therapieansätze, die alle ins Leere liefen.

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Auch einen Psychiater habe ich aufgesucht, um herauszufinden, ob meine Schmerzen vielleicht anderer Natur sind. Dieser verschrieb mir nach einigen Sitzungen aber nur Johanniskraut, um besser schlafen zu können. Auch hier war nichts Eindeutiges zu finden. Es waren zwei Jahre mit vielen Tränen und Hilflosigkeit. Was mir letzten Endes etwas geholfen hat, war viel Sport, ein paar Kilos zu verlieren und meine Ernährung etwas umzustellen. Viele Gespräche über meine privaten Ängste und Sorgen mit anderen Menschen und sich nicht zu verstecken. Das war das, was mich mit mittlerweile erträglichen Schmerzen zurück auf die Bühne und ins Tonstudio gebracht hat. Die beste Therapie war es, wieder aufzutreten. Die Menschen da draußen, die meine Liebe mit mir auf meinen Konzerten teilen, haben wahre Wunder bewirkt.

Welche Auswirkungen haben diese Umstellungen auf Ihr heutiges Leben?

Diehl: Man fühlt sich ganz einfach wohler mit sich selbst. Ich bin immer noch ein übergewichtiger Mensch, habe aber für mich die Liebe zum Sport entdeckt. Ich spiele viel und gerne Tennis, gehe ins Fitness-Center und spaziere an freien Tagen einfach mit gutem Tempo durch den Wald. Beim Essen achte ich eigentlich nur auf die Menge der Kohlenhydrate pro Portion. Für mich kam der große Bauch zu einem großen Teil einfach durch zu viel Kohlenhydratanteil pro Mahlzeit.

Ich bin nun mal ein Pasta-, Pizza- und Burger-Liebhaber. Die Gewohnheit wurde zur Ausnahme und ich habe einige Kompromisse geschlossen. Ich habe für mich kein Gewichtsziel oder einen langfristigen Ernährungsplan. Ich will einfach nur gesund sein und wieder Dinge genießen können, für die ich lange Zeit einfach “zu schwer” war. Genuss ist und bleibt für mich ein großer Teil meiner Lebensqualität, auch wenn dieser nun immer öfter etwas “leichter” ausfällt.

Ein Song auf Ihrem neuen Album heißt “Meine Angst”. Was war Ihre größte Angst in den letzten Jahren?

Diehl: Meine Lebensgefährtin zu verlieren. Sie hat Diabetes Typ 1 und wir waren in den letzten Jahren mehrfach in lebensbedrohlichen Situationen. Mitten in der Nacht den Notarzt zu rufen, weil meine Partnerin neben mir im Bett eine schwere Unterzuckerung erleidet und einen Krampfanfall bekommt und Minuten lang nicht atmet, ist kein schöner Anblick. Als der Notarzt kam, wusste sie oft gar nicht, wer ich bin und was hier los ist. Ich war bei diesen schweren Anfällen Gott sei Dank immer zu Hause, was als Musiker ja nicht immer die Regel ist. Sie wurde jedes Mal bewusstlos und konnte sich alleine nicht mehr helfen. Ich hatte Todesangst, dass es das nächste Mal passiert, wenn ich gerade nicht zu Hause bin.

Ziemlich zeitgleich kamen auch die Stimmschmerzen, die es mir unmöglich machten aufzutreten und wegzufahren. Inwieweit das miteinander zu tun hat, ist mir noch nicht klar. Aber ich habe das mit professionellen Leuten besprochen. Wir haben mittlerweile technische Hilfsmittel mit Warnsystem, die uns als Paar helfen und schwere Unterzuckerungen durch einen kleinen Sensor unter der Haut voraussehen und uns über das Smartphone davor warnen. Über die vergangene Zeit habe ich gelernt, mit der Angst besser umzugehen. Meine Partnerin hat ihren Blutzucker nun auch massiv besser eingestellt und so kann ich etwas beruhigter auf Tournee fahren.

Sie haben einmal gesagt, Sie sind froh, dass die “klassische” Rollenverteilung von Mann und Frau immer mehr aufweicht. Wie ist das bei Ihnen und Ihrer Freundin?

Diehl: Wenn man das jetzt klassisch sieht, dann wäre ich wohl eher die Frau in der Beziehung. Ich kaufe ein, koche und bin für die Deko zuständig. Da muss ich schon ein wenig schmunzeln. Ich habe ihr zum Geburtstag einen Akku-Schrauber geschenkt und sie mir ein Raclette. Ich bin dann wohl die Generation “Zu Ende emanzipiert”. Ich denke, dass alles “normal” ist. Die einen wollen Familie, die anderen wollen keine Kinder, sondern um die Welt reisen und sich Träume erfüllen. Andere wollen beides und noch viel mehr.

Wenn ich mal ganz ehrlich bin, dann unterscheidet uns doch nur noch die Sexualität. Jeder kann und soll alles sein, was sie oder er will. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass jegliche Ungerechtigkeit gegenüber Frauen, die noch existiert, endlich ausradiert wird. Was mich da wirklich wütend macht, sind die Themen Frauenquote und Gehaltsunterschiede. Was für ein erbärmliches System lässt es zu, dass eine Frau für den gleichen Job weniger Gehalt bekommt?

Könnten Sie sich vorstellen, einmal zu heiraten und eine Familie zu gründen?

Diehl: Ich habe keine väterlichen Gefühle in mir und meine Partnerin auch keinen Kinderwunsch. Wir haben uns darüber mehrfach und ausführlich unterhalten und sind eben auf den Nenner gekommen, dass wir keine Familie gründen wollen. Wir sind zu zweit so wie es ist und mit unseren Träumen und Visionen, die wir für unser Leben haben, sehr zufrieden. Mit meiner Musik kümmere ich mich indirekt um viele Menschen, indem ich sehr offen und nackt über mich erzähle. Meine Partnerin hilft mit, wo sie kann, um das nach außen zu tragen. Ich bin vielleicht nicht dafür gemacht, mich um ein Individuum zu kümmern, aber ich habe große Leidenschaft mich mit meiner Musik um viele Menschen auf andere Art und Weise zu kümmern. Mit Mut, Kraft und Leidenschaft in Musik verpackt, die etwas bewegen soll.

(tae/spot)

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