Faithless: Corona ist für die Musik ein “absolutes Desaster”

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Sister Bliss alias Ayalah Deborah Bentovim ist Keyboarderin, Plattenproduzentin, DJ und Songwriterin. / Quelle: Blue Laybourne

Faithless sind zurück. Am Freitag (23. Oktober) erscheint mit “All Blessed” der neue Longplayer der britischen Elektronikband, die ihre größten Erfolge in den 90ern mit Songs wie “Insomnia” und “God is a DJ” feierte. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erklärt Bandmitglied und Songwriterin Sister Bliss (49), inwieweit aktuelle Themen wie Migration und die Corona-Pandemie Faithless’ neue Musik beeinflussten und warum die Selbstisolation nicht romantisiert werden darf.

“Kein Tag vergeht, an dem wir nicht Boote voller Migranten an unseren Küsten und in Europa ankommen sehen, auf der Suche nach einem besseren Leben”, erinnert die 49-Jährige im Interview. Oft würden die Menschen “vor Krieg, Armut, dem Klimawandel und Verfolgung” fliehen. Die Welt teile sich in “die auf, die etwas haben, und die, die nichts haben. In Schwarz, Weiß und so weiter”.

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Faithless repräsentiert “die Vorteile von Toleranz und Inklusion”

Mit ihrem neuen Longplayer wollen Faithless vor allem das Thema Mitgefühl in den Vordergrund rücken. “Wer sind wir als Menschen ohne Mitgefühl für die, die anders sind oder weniger Glück haben? Zu wem werden wir, wenn wir das, was wir haben, nicht mit anderen teilen? Wenn wir inmitten der Angst und einem Gefühl der Gefahr feststecken?”, fragt Sister Bliss. Die Band habe durch ihre unterschiedlichen ethnischen Hintergründe, Geschlechter und Familien stets “die Vorteile von Toleranz und Inklusion repräsentiert”.

Die Songs auf “All Blessed” sollen die Hörer auf einer persönlichen und politischen Ebene ansprechen, sagt die gebürtige Londonerin. Sie glaube, dass jeder Mensch individuelle Privilegien hat, egal, wie diese konkret aussehen. Aus dieser Vorstellung, “dass wir durch unsere Privilegien vielleicht alle gesegnet sind”, leitet sich der Albumtitel “All Blessed” (“alle gesegnet”) ab.

Beitrag der Musikindustrie wird während der Pandemie übersehen

Ein Privileg, das vielen Menschen durch die Corona-Pandemie entrissen wurde, ist die Möglichkeit, Live-Konzerte zu genießen oder sich als Künstler mit Auftritten den Lebensunterhalt zu verdienen. Auch die Britin leidet darunter, ihr “kompletter Show- und Festival-Sommer wurde abgesagt”, berichtet sie. Ob für 2021 geplante Shows stattfinden, stehe momentan in den Sternen.

Die Situation im Musikgeschäft bezeichnet Sister Bliss als “absolutes Desaster”, von der britischen Regierung sei nur “sehr wenig Unterstützung” gekommen. “Es fehlt das Verständnis dafür, welchen Beitrag unsere Industrie für dieses Land leistet.” Insbesondere die Club-Szene sei “eine Lebensader für die, die ihr angehören, und besonders wichtig als sicherer Ort, an dem man sich ausdrücken kann – beispielsweise für Mitglieder der LGBTQ-Gemeinschaft”, erklärt die Bandkollegin von Maxi Jazz (63) und Rollo Armstrong (54).

Selbstisolation kann “die reinste Hölle” sein

Eine Selbstisolation könne jedoch auch positive Aspekte mit sich bringen, sagt Sister Bliss. “Wir sprechen das in unserem letzten Song auf dem Album, ‘Take Your Time’, an. Indem wir ständig von A nach B eilen, haben wir keine Zeit für die Dinge, die das Leben lebenswert machen – die intimen Momente, die Zeit mit unseren Lieben, Güte, Empathie.” Genau diese Dinge seien jedoch “wichtig im Leben”.

Die Musikerin möchte den Zustand der Isolation allerdings nicht romantisieren, denn sie ist sich ihrer privilegierten Lage bewusst. “Wenn man Mindestlohn verdient und nicht weiß, woher das Geld für die nächste Mahlzeit kommt oder wie man die Miete bezahlen soll – oder sich in einer gewalttätigen Beziehung befindet – dann ist es die reinste Hölle”, betont sie. “Freunde von mir, die absolut allein waren oder finanzielle Probleme hatten, haben schrecklich gelitten.”

(wag/spot)

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