Planen die Lemonbabies ein Comeback?

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In den Neunzigern waren die Lemonbabies als Frauenband etwas Besonderes. / Quelle: Joerg Grosse Geldermann

In den Neunzigerjahren waren die Lemonbabies (“Porno.”) ein wahres Phänomen. 2001 wurde es mit der Auflösung der Band jedoch still um die vier Frauen. Nun haben sie sich dazu entschlossen, all ihre Veröffentlichungen auf Streamingplattformen verfügbar zu machen. Außerdem haben Diane Weigmann (47), Julia Fensky, Barbara Mayer und Katharina Matthies am Freitag (19. Februar) ein neues “Best of”-Album herausgebracht. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verraten sie, ob es ein Comeback der Lemonbabies geben wird und inwiefern sich das Frauenbild in der Musikbranche über die Jahre verändert hat.

Sie haben Ihre Karriere bereits im Teenageralter gestartet. Wie war es, schon so früh im Rampenlicht zu stehen?

Diane Weigmann: Man hat einfach nicht darüber nachgedacht, sondern es getan. Natürlich hat man das genossen, natürlich war man auch ab und zu in Situationen, in denen man fühlte, dass man doch vielleicht besser hätte vorbereitet sein sollen. Aber da gibt es nichts zu bereuen. Selbst wenn es am Anfang noch klappert da und hier und da krumm oder schief klang, waren wir doch auf jeden Fall mit guten Songs und so viel frischem Wind dabei. Und das ist ja am Ende das, was die Menschen in die Konzerte bringt. Nicht die Perfektion, sondern das Außergewöhnliche und die Leichtigkeit.

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Barbara Mayer: Ich war 18 Jahre alt, als ich zur Band dazukam. Ich hatte davor in einigen Schülerbands gespielt. Das war aber auch schon meine ganze Qualifikation. Ich hatte Glück, dass die anderen Lemonbabies Potential in mir gesehen haben. Meine gesamte Reiseerfahrung beschränkte sich auf Urlaub mit den Eltern und Klassenfahrten. Und dann war ich plötzlich aus dem Stand Teil einer professionellen Band. Ich musste rasend schnell erwachsen werden und Verantwortung für mich selbst übernehmen. Das war nicht immer einfach und zum Glück waren die anderen da geduldig mit mir. Es brauchte lange, bis ich das Gefühl loswurde, mich auf eine Erwachsenenparty geschlichen zu haben und jeden Moment aufzufliegen. Aber so tolle Dinge in so einem jungen Alter zu erleben, war schon fantastisch!

Wollten Sie damals Vorbilder für andere junge Mädchen sein?

Katharina “Katy” Matthies: In dem Alter denkt man nicht so. Wir haben das gemacht, worauf wir Lust hatten. Und wir haben auch überhaupt nicht in solchen Gendersparten gedacht. Das kam immer nur von außen.

Weigmann: Aber es ist erstaunlich, dass man heute tatsächlich öfter damit konfrontiert wird, dass wir, wenn auch unbewusst, Rolemodels waren. Ich höre ganz häufig von Frauen, die vielleicht so fünf bis zehn Jahre jünger sind als wir, dass sie uns als junge Mädchen so gut fanden, dass sie selbst angefangen haben, ein Instrument zu spielen.

Matthies: Echt? Das ist ja schön, das freut mich sehr.

Mayer: Ich wollte vor allem Ich selbst sein. Und das war damals schon schwierig genug. Den Mut zu finden, etwas zu tun, das für mich als Mädchen oder Frau nicht vorgesehen war. Ich habe es einfach trotzdem gemacht, weil der Drang danach so groß war. Aber ich habe mich immer fremd gefühlt. Und dann bekam ich die Chance, Teil der Lemonbabies zu werden, und fühlte mich endlich angekommen. Endlich gab es dieses Fremdsein nicht mehr. Wir waren alle Frauen. Das war nichts, was einen trennte, sondern verband. Also waren die ersten Vorbilder, die ich hatte, die anderen Babies. Sollten wir wirklich andere Frauen inspiriert haben, Musik zu machen, wäre das natürlich ein Plus.

Sie waren in den 1990ern als Mädchenband etwas ganz Besonderes. Wie hat sich Ihrer Meinung nach seitdem die Musikbranche für Frauen verändert?

Matthies: Ich finde es schade, dass es im Vergleich zu den 1990er-Jahren aktuell so wenige reine Frauenbands gibt. Ich hatte den Eindruck, dass es damals mehr waren. Für mich persönlich war es die natürlichste Sache der Welt, in einer Band mit anderen Frauen zu spielen. Ich habe neulich erst gesagt, dass es für mich keinen ernstzunehmenden Grund gibt, mit Männern Musik zu machen.

Weigmann: Aber insgesamt finde ich, auch wenn man das Gefühl hat, dass weniger reine Frauenbands unterwegs sind, so sind auf jeden Fall mehr Frauen oder Mädchen grundsätzlich in der Musik zu sehen. Und das ist doch schon mal toll, wenn es einfach selbstverständlich wird, dass Männer und Frauen gemeinsam zusammen Musik machen und es eben nichts Besonderes mehr ist, wenn eine Frau oder ein junges Mädchen auf der Bühne steht, nicht nur als Sängerin.

Mayer: Ich finde ja, dass durch die 2000er und 2010er, in denen weibliche Solokünstlerinnen wie Beyoncé, Taylor Swift, Adele oder Rihanna die Charts dominiert haben, einem als musikmachende Frau eine andere Art von Respekt entgegengebracht wird. Man steht nicht mehr unter dem Generalverdacht, das Produkt eines Produzenten zu sein. Und es hat natürlich geholfen, dass der gesellschaftliche Konsens ein anderer ist. Viele Dinge, mit denen Frauen früher kleingehalten, lächerlich gemacht oder auf ihr Äußeres reduziert wurden, gehen heute einfach nicht mehr.

Das Selbstbewusstsein der jungen Frauen ist auch ein gänzlich anderes. Die würden sich den Alltagssexismus der 1990er-Jahre gar nicht mehr gefallen lassen, der sowohl in den Plattenfirmen als auch in den Medien damals wirklich schlimm war. Zusammenfassend würde ich sagen, Frauen werden weniger eingeschüchtert und mehr ermutigt, sich auszuprobieren und sie selbst zu sein. Und dadurch entsteht auch ein breiteres Spektrum an Frauenbildern in der Musik. Allerdings ist da natürlich noch viel Luft nach oben. Wir sind ja wie überall noch weit entfernt von Gleichberechtigung und -bezahlung!

Die Konzerte waren damals Ihr Aushängeschild. An welche Erlebnisse denken Sie dabei gern zurück?

Weigmann: Die tollen Festivals, die vielen Menschen, die wir kennengelernt haben, tolle Gespräche vor oder nach Konzerten mit anderen Musikern, befreundeten Bands oder den Menschen aus dem Publikum. Die vielen Städte, die wir sehen durften, die vielen Orte, an die wir gereist sind, teilweise in ganz Europa. Das war schon wirklich phänomenal!

Matthies: Bei mir ist es das gesamte Paket. Das Reisen im Bandbus, die Gemeinschaft und natürlich das Privileg, auf der Bühne stehen zu dürfen und sogar davon leben zu können.

Mayer: Da kann ich gar nichts mehr hinzufügen. Es hat einfach wahnsinnig viel Spaß gemacht.

Für Ihr Album “Porno.” waren Sie nackt auf dem Cover zu sehen. Würden Sie das heute wieder so machen?

Weigmann: Das Artwork war nicht nur ein Statement, sondern auch eine fast schon trotzige Antwort auf die Konfrontation der Medien damals, die uns, natürlich gerade in der Yellow Press, immer wieder auf das Frauendasein reduziert haben. Aber wir haben es als Stilmittel und künstlerische Ebene genutzt: Wir haben uns in unseren Liedern und Texten “nackt” gemacht und in diesem Artwork ausdrücken wollen.

Matthies: Die Frage kann ich so pauschal nicht beantworten. Wenn Sie meinen, ob ich die Entscheidung von damals heute anders beurteile, dann Nein. Ich liebe das Cover und das Album und alles, was damit zusammenhängt. Wir haben es geschafft, ein künstlerisches und ästhetisches Artwork zu entwickeln. Darauf bin ich sehr stolz.

Mayer: Es ist einfach immer noch wahnsinnig lustig, dass wir das damals gemacht haben. Der Grad an Sexismus, mit dem wir immer und immer wieder konfrontiert wurden, war nur mit dieser Art von Humor auszuhalten. Ich bereue nur, dass wir nicht noch offensiver damit umgegangen sind in all diesen furchtbaren Interviews. Da waren wir dann doch zu brav und angepasst nach außen und wollten es allen recht machen. Eine Lehre von damals ist für mich definitiv, öfter mal Leute vor den Kopf zu stoßen.

Sind Sie auch heute noch miteinander befreundet? Könnten Sie sich ein Comeback vorstellen?

Weigmann: Wir sind ja alle sehr etabliert in unseren aktuellen Berufen. Auch wenn wir natürlich durch das neue Album und die Arbeit unseren alten Bandstrukturen wieder sehr nahegekommen sind, hat doch jeder seinen echten Beruf und sein echtes Leben. Ich wüsste gar nicht, wo man da die Zeit findet, ein Comeback einzuplanen? Aber wer weiß – das Leben schlägt ja manchmal lustige Runden.

Matthies: So wie Diane sagt. Unser privater Kontakt ist eng, wir unterstützen uns auch, wo immer es geht, in unseren aktuellen Projekten.

Mayer: Wir haben in einem prägenden Alter so viel Zeit miteinander verbracht. Da ist man mehr Familie als Freundinnen. Und ich finde es wirklich sehr, sehr schön, dass wir im Leben der anderen geblieben sind über all die Jahre und all die unterschiedlichen Entwicklungen, die wir alle genommen haben.

Welche aktuellen Popbands gefallen Ihnen heutzutage?

Weigmann: Ich höre super gern Singer-Songwriter, gern auch deutschsprachig, oder Bands und Künstler wie Kyona, Klan, Florian Künstler oder Clueso und viele mehr. Nebenbei liebe ich modernen Indie-Folk.

Matthies: Schwere Frage. Ich habe festgestellt, dass mir vor allem Musiker*innen gefallen, die einen gewissen Retro-Sound pflegen. So höre ich zum Beispiel sehr gern Michael Kiwanuka oder Uncle Acid & the Deadbeats. Was das Geschehen in der Popmusik betrifft, bin ich, glaube ich, total abgehängt. Keine Ahnung, was da angesagt ist. Die Künstler*innen, die Diane eben genannt hat, kenne ich bis auf Clueso auch alle nicht.

Mayer: Ich höre vor allem weibliche Künstlerinnen. Da passiert gerade so viel. Phoebe Bridgers, Tessa Violet, Dodie, Caroline Polachek, aber auch Taylor Swift und Selena Gomez. Abgesehen von der Musik entwickeln sie auch eine interessante Bildsprache.

(tae/spot)

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